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Urteil Verwaltungsgericht (AG - AGVE 2017 11)

Zusammenfassung des Urteils AGVE 2017 11: Verwaltungsgericht

Der Beschwerdeführer wurde dabei beobachtet, wie er trotz Entzugs seines Führerausweises ein Motorrad lenkte. Er berief sich auf einen entschuldbaren Notstand, da er seine Partnerin ins Spital bringen wollte, die gesundheitliche Probleme hatte. Das Verwaltungsgericht entschied, dass der Beschwerdeführer den Tatbestand des Fahrens ohne Berechtigung erfüllt hat. Trotz des geltend gemachten Notstands wurde festgestellt, dass er schuldhaft gehandelt hat. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass kein schweres Verschulden vorliegt und daher die Anwendbarkeit von Art. 16c SVG nicht gegeben ist. Der Richter des Obergerichts, Abteilung Verwaltungsgericht, entschied auf eine Entzugsdauer von einem Monat.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts AGVE 2017 11

Kanton:AG
Fallnummer:AGVE 2017 11
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid AGVE 2017 11 vom 18.10.2017 (AG)
Datum:18.10.2017
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:AGVE - Archiv 2017 Strassenverkehrsrecht 73 11 Fahren trotz Entzugs des Führerausweises Entschuldbarer Notstand, daher kein...
Schlagwörter: Notstand; Beschwerdeführer; Staatsanwalt; Beschwerdeführers; Verschulden; Verwaltungsgericht; Entscheid; Kantons; Führerausweis; Partnerin; Notstands; Motorfahrzeug; Recht; Befehl; Führerausweises; Strassenverkehrsamt; Entzug; Ausweis; Strassenverkehrsrecht; Entzugs; Staatsanwaltschaft; Notsituation; Widerhandlung; Ausweisentzugs; ERNHARD; Wesentlichen; Sachverhalt; Motorrad
Rechtsnorm: Art. 1 ZGB ;Art. 10 SVG ;Art. 16 SVG ;Art. 16a SVG ;Art. 16c SVG ;Art. 17 StGB ;Art. 18 StGB ;
Referenz BGE:129 V 345;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts AGVE 2017 11

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11 Fahren trotz Entzugs des Führerausweises Entschuldbarer Notstand, daher kein schweres Verschulden i.S.v. Art. 16c Abs. 1 lit. f SVG; Lückenfüllung mittels analoger Anwendung von Art. 16a Abs. 2 SVG
Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 18. Oktober 2017, i.S. N. gegen das Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau und das Departement Volkswirtschaft und Inneres (WBE.2017.338) Aus den Erwägungen II. 1. Dem angefochtenen Entscheid liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde: Der Beschwerdeführer wurde dabei beobachtet, wie er am 12. August
2016 in A. ein Motorrad lenkte, obwohl ihm der Führerausweis mit
Verfügung des Strassenverkehrsamts vom 11. Dezember 2015 zu
jenem Zeitpunkt entzogen war. Auf dem Sozius befand sich eine
Begleiterin.
Als Folge dieses Vorfalls verurteilte die Staatsanwaltschaft B. den Beschwerdeführer mit Strafbefehl vom 8. November 2016 we- gen Fahrens ohne Berechtigung (Art. 95 Abs. 1 lit. b SVG) sowie wegen eines weiteren, nicht mit dem Strassenverkehrsrecht in Zusammenhang stehenden Delikts zu einer unbedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen je Fr. 30.00. Der Strafbefehl ist unangefoch- ten in Rechtskraft erwachsen. 2. 2.1. Der Beschwerdeführer räumt ein, eine kurze Strecke mit dem Motorrad gefahren zu sein, er beruft sich dafür aber auf einen Not- stand i.S.v. Art. 17 StGB. Er macht zusammenfassend geltend, seine Partnerin habe gesundheitliche Probleme erlitten, die bei ihm den
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Verdacht auf einen Schlaganfall hervorriefen, weshalb er seine Partnerin umgehend in das Kantonsspital C. habe fahren wollen. Diese Notstandskonstellation werde im Strafbefehl nicht erwähnt und der Beschwerdeführer habe den Strafbefehl nicht angefochten, da der Staatsanwalt ihm mitgeteilt habe, er könne diese Umstände vor dem Strassenverkehrsamt vorbringen. Das Strassenverkehrsamt und das DVI hätten eigene Beweise erheben müssen, da die Staatsan- waltschaft die Notstandshilfe nicht berücksichtigt habe. 2.2. 2.2.1.-2.2.3. (Ausführungen zur Bindung an den im Strafverfahren festgestellten Sachverhalt) 2.2.4. Mit der Einholung des Amtsberichts hat das Verwaltungsgericht eigene Beweismittel erhoben, womit es nicht an die Feststellungen des Strafbefehls gebunden ist. Gemäss dem Amtsbericht von Staatsanwalt D. vom 23. August 2017 legten der Beschwerdeführer und seine Partnerin glaubhaft dar, dass der Beschwerdeführer aus einer subjektiven Notsituation heraus gehandelt habe. Er sei aber der Meinung, dass kein rechtfertigender Notstand i.S.v. Art. 17 StGB vorgelegen habe, sondern dass der Be- schwerdeführer seine Partnerin zum Sanitätsposten hätte bringen und/oder eine Ambulanz herbeirufen sollen. Somit habe der Beschwerdeführer den Tatbestand des Fahrens ohne Berechtigung er- füllt. Das Verhalten des Beschwerdeführers habe er bei der Strafzu- messung unter dem Aspekt des entschuldbaren Notstands stark straf- mindernd berücksichtigt. Entgegen dem Vorbringen des Beschwerde- führers in seiner Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei die Argumenta- tion des Beschwerdeführers nicht ungehört geblieben. Nach Erhalt des Strafbefehls habe der Beschwerdeführer ihn angerufen, wobei er dem Beschwerdeführer erklärt habe, dass das Strassenverkehrsamt die Strafakten beiziehe und sich aus diesen ergebe, dass er eine Not- situation geltend mache. Er habe dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass er sich im Administrativverfahren werde äussern können. Aufgrund dieser Ausführungen sowie aufgrund der polizei- lichen Einvernahme des Beschwerdeführers vom 28. August 2016,
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der Einvernahme des Beschwerdeführers vom 28. Oktober 2016 durch die Staatsanwaltschaft sowie der Einvernahme der Partnerin des Beschwerdeführers durch die Staatsanwaltschaft vom 28. Oktober 2016 ist für das Verwaltungsgericht erstellt, dass der Be- schwerdeführer das Motorrad lenkte, um seine Partnerin - bei wel- cher er den Verdacht auf einen Schlaganfall hegte - schnellst mög- lich in das nahe gelegene Kantonsspital C. zu führen. 3. Wer ein Motorfahrzeug führt, bedarf des Führerausweises (Art. 10 Abs. 2 SVG). Indem der Beschwerdeführer trotz des entzogenen Führeraus- weises am 12. August 2016 ein Motorfahrzeug führte, verstiess er gegen die genannte Bestimmung. 4. 4.1. Zu prüfen ist weiter, ob die Vorinstanz zu Recht davon ausge- gangen ist, dass das Verhalten des Beschwerdeführers unter Art. 16c Abs. 1 lit. f SVG zu subsumieren ist. 4.2. 4.2.1. Das DVI führte im Wesentlichen aus, dass die Nichterwähnung der durch den Beschwerdeführer geltend gemachten Notstands- situation nur den Schluss zulasse, dass der Strafrichter offensichtlich ausgeschlossen habe, dass sich der Beschwerdeführer in einer Not- standssituation befunden habe. Demnach habe der Beschwerdeführer eine Widerhandlung i.S.v. Art. 16c Abs. 1 lit. f SVG begangen, wo- mit ihm der Führerausweis gestützt auf Art. 16c Abs. 2 lit. e SVG für immer zu entziehen sei. Das gleiche gelte auch für die Schiffsführer- ausweise des Beschwerdeführers. 4.2.2. Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, sich in einer Notstandssituation befunden zu haben, da er den Verdacht gehabt habe, dass seine Partnerin einen Schlaganfall erlitten habe und er sie so schnell wie möglich in das nahe gelegene Kantonsspital C. habe bringen wollen.
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4.3. Eine schwere Widerhandlung begeht, wer ein Motorfahrzeug trotz Ausweisentzugs führt (Art. 16c Abs. 1 lit. f SVG). Die spezifi- schen Widerhandlungstatbestände i.S.v. Art. 16c Abs. 1 lit. b bis f SVG sind erfüllt, wenn die objektiven Tatbestandselemente vorlie- gen, ein Rechtfertigungsgrund fehlt und der Fahrzeuglenker schuld- haft gehandelt hat, wobei bereits fahrlässiges Handeln ein Verschul- den darstellt (BERNHARD RÜTSCHE, in: MARCEL ALEXANDER NIGGLI/THOMAS PROBST/BERNHARD WALDMANN [Hrsg.], Basler Kommentar zum Strassenverkehrsgesetz, Basel 2014, Art. 16 N 82). Durch das wissentliche und willentliche Führen eines Motorfahrzeugs hat der Beschwerdeführer den Tatbestand des Füh- rens eines Motorfahrzeugs trotz Ausweisentzugs erfüllt (vgl. Erw. 3. hiervor). Der Staatsanwalt hat in seinem Amtsbericht vom 23. August 2017 das Vorliegen eines rechtfertigenden Notstands i.S.v. Art. 17 StGB verneint, er hat aber die subjektive Notsituation des Beschwerdeführers dahingehend berücksichtigt, als er vom Vorliegen eines entschuldbaren Notstands i.S.v. Art. 18 StGB ausge- gangen ist und gestützt darauf die Strafe stark gemindert hat. Da der Staatsanwalt den Beschwerdeführer sowie seine Partnerin einver- nommen hat und somit die Tatsachen besser kennt als das Ver- waltungsgericht, besteht für das Verwaltungsgericht kein Grund für eine Abweichung von dieser Beurteilung. Es liegt somit kein Rechtfertigungsgrund vor und der Beschwerdeführer hat auch schuldhaft gehandelt. Somit wären die Voraussetzungen für die An- wendbarkeit von Art. 16c Abs. 1 lit. f SVG vorliegend grundsätzlich erfüllt. 5. 5.1. Das Bundesgericht hat mehrfach für die Anwendbarkeit von Art. 16c SVG ein schweres Verschulden vorausgesetzt (Urteile des Bundesgerichts vom 4. Juli 2016 [1C_25/2016], Erw. 2.1; vom 21. Dezember 2009 [1C_355/2009], Erw. 5.3). Da der Staatsanwalt anerkennt, dass der Beschwerdeführer aus einer subjektiven Not- situation heraus gehandelt und der Staatsanwalt aus diesem Grund die Strafe stark gemindert hat, ist vorliegend jedoch lediglich von
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einem geringen Verschulden des Beschwerdeführers auszugehen, womit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung folgend kein Raum für die Anwendbarkeit von Art. 16c SVG bleibt. Da im Gesetz nicht geregelt ist, welches die Rechtsfolge des Führens eines Motorfahr- zeugs trotz Entzugs des Führerausweises sein soll, wo kein schweres Verschulden vorliegt, besteht eine Gesetzeslücke (ebenfalls vom Vor- liegen einer Lücke in Fällen von Fahren trotz Ausweisentzugs bei ge- ringem Verschulden geht die Verwaltungsrekurskommission des Kantons St.Gallen aus, die es als zulässig erachtet, die Mindestent- zugsdauer in Fällen eines leichten Verschuldens zu unterschreiten: Entscheid vom 29. Juni 2017 [IV-2016/179], Erw. 2d; Entscheid vom 30. Mai 2013 [IV-2013/18], Erw. 2e; Entscheid vom 18. August 2011 [IV-2011/57], Erw. 3a/bb; Entscheid vom 19. April 2007 [IV- 2006/174], Erw. 2b [alle abrufbar unter: http://www.gerichte.sg.ch/ home/dienstleistungen/rechtspre-chung/aktuelle_entscheide2.html; besucht am 18. Oktober 2017]; vgl. auch Entscheid des Kantons- gerichts des Kantons Luzern vom 29. Juli 2015 [7H 15 166], Erw. 3.2 [abrufbar unter: https://gerichte.lu.ch/recht_sprechung/ lgve/Ajax?EnId=10436; besucht am 18. Oktober 2017]). Das Gericht hat daher - mangels Gewohnheitsrechts - nach der Regel zu entscheiden, die es als Gesetzgeber aufstellen würde (Art. 1 Abs. 2 ZGB). Es folgt dabei bewährter Lehre und Überlieferung (Art. 1 Abs. 3 ZGB). Als Mittel zur Schliessung der echten Lücke fällt unter anderem der Analogieschluss in Betracht (BGE 129 V 345, Erw. 4.1). 5.2. Bei der Bemessung der Entzugsdauer sind gemäss Art. 16 Abs. 3 SVG die Gefährdung der Verkehrssicherheit, das Verschulden, der Leumund als Motorfahrzeugführer sowie die berufliche Notwen- digkeit, ein Motorfahrzeug zu führen, zu berücksichtigen. Da das Fahren trotz Ausweisentzugs in erster Linie aus Gründen der wirksa- men Rechtsdurchsetzung mit einem Entzug des Führerausweises sanktioniert wird, wird durch diesen Entzugsgrund nur indirekt der Verkehrssicherheit gedient (BERNHARD RÜTSCHE/DENISE WEBER, in: MARCEL ALEXANDER NIGGLI/THOMAS PROBST/BERNHARD WALDMANN [Hrsg.], Basler Kommentar zum Strassenverkehrs-
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gesetz, Basel 2014, Art. 16c N 41). Dem Kriterium der Gefährdung der Verkehrssicherheit kommt vorliegend bei der Bemessung der Ab- erkennungsdauer somit keine Bedeutung zu (vgl. Entscheid der Ver- waltungsrekurskommission des Kantons St.Gallen vom 29. Juni 2017 [IV-2016/179], Erw. 3c/bb). 5.3. Es bietet sich an, auf den zu beurteilenden Sachverhalt dem leichten Verschulden entsprechend Art. 16a Abs. 2 SVG analog anzu- wenden, wonach der Führerausweis nach einer leichten Widerhand- lung für mindestens einen Monat entzogen wird, wenn in den vorangegangenen zwei Jahren der Ausweis entzogen war eine andere Administrativmassnahme verfügt wurde.
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Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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